Montessori versus Regelschule

 

 

Unsere ältere Tochter war das einzige Kind aus dem Kindergarten, dass seinen ersten Schultag in einer Montessorischule bestritten hat. Alle anderen Kinder starteten ihre Schullaufbahn in der örtlichen Grundschule. Bereits damals wurden meinem Freund und mir Löcher in den Bauch gefragt, wieso wir eine Montessorischule für unsere Tochter gewählt haben. Die am häufigsten gestellte Frage damals lautete, ob unsere Tochter eine Lernbehinderung hätte? Mit alternativen Schulen wird auch heute noch gerne ein Lerndefizit assoziiert. Was allerdings weit gefehlt ist.

Filmplakat Alphabet

Sensibilisiert wurden wir für dieses Thema durch den Film ALPHABET  – Angst oder Liebe von Erwin Wagenhofer, den ich allen Eltern nur ans Herz legen kann. Der Film hat uns eine völlig neue Perspektive eröffnet und so suchten wir eine Schule, in der das Leistungsprinzip nicht dominant ist. Wir suchten eine liebevolle Umgebung für unsere Tochter, die auch ihre Persönlichkeitsentwicklung in allen Facetten fördert und in der sich ihre Kreativität voll entfalten kann. Ich persönlich empfand schon damals zur Kindergartenzeit die ständigen Leistungsvergleiche als anstrengend. Die Fragen à la „Kann Dein Kind schon Schlittschuhlaufen, Flöte spielen oder die ersten Sätze in Englisch“ zeigten mir, unter welchem immensen Erfolgsdruck viele Kinder stehen. Dahinter verbirgt sich große Unsicherheit und die Angst von uns Eltern etwas falsch zu machen. Wir haben bei unserer Entscheidung für Montessori nicht allein rational gehandelt, sondern auch sehr intuitiv. Ausschlaggebend war natürlich auch unsere Tochter, die nach dem Hospitieren unbedingt auf die Montessorischule wollte und auf gar keinen Fall in die örtliche Regelschule.

Was ich nun, nach gut einem Jahr Grundschule in Biberkor sagen kann ist, dass unsere Tochter, mein Freund und ich verdammt froh sind, dass wir uns für Montessori entschieden haben. Und dabei spielen die nicht vorhandenen Hausaufgaben und die vielgelobten Lernmaterialien von Maria Montessori nicht die ausschlaggebende Rolle. Entscheidender finde ich, dass jedes Kind individuell lernt. Jede Mutter von Geschwisterkindern weiß, dass es kein Alter X gibt, zu dem alle Kinder das Laufen, das Sprechen oder das Radlfahren erlernen. Das ist ganz unterschiedlich, je nach Begabung des Kindes. Und so wird es auch auf Montessorischulen gelebt. Das eine Kind kann viel schneller im 100er Raum rechnen während sich ein gleichaltriges Kind damit noch schwer tut und dafür aber vielleicht schon fliessend liest. Auf die Lernerfolge wird ganz individuell eingegangen und jedes Kind definiert für sich ein wöchentliches und monatliches Lernziel – entsprechend seiner individuellen Begabung.

 

Sehr gut finde ich persönlich auch die Altersmischung, die die Kinder ja aus dem Kindergarten gewöhnt sind und kennen. In der Grundschule lernen  Erst- bis Drittklässler zusammen in einer Klasse. Das bedeutet im Alltag, dass die Kleinen von den Großen lernen und dass die Großen dabei bereits gelerntes wiederholen und festigen. Die Kleinen sind natürlich fasziniert von den Großen und lernen mit Begeisterung. Da wären wir schon beim nächsten Thema: das freie Lernen! Das ist meines Erachtens das wichtigste Aspekt für Montessori. Kinder sind ja von Natur aus so Neugierig und Fragen uns Mütter gerne Löcher in den Bauch. Fragen wie „Warum gibt es Sternschnuppen?“ stehen genauso auf der Tagesordnung wie „Mama, woher kommt das Geld auf Deiner EC-Karte“ und „Wie kannst Du den Papa sprechen hören durch Dein iPhone, wo er doch gerade in München in der Arbeit ist?“. In Montessorischulen gibt es die sogenannte Freiarbeit. Während dieser Zeit, lernt jedes Kind Dinge, für die es sich gerade besonders interessiert. Das bedeutet, es steht kein Lehrer vor der Klasse und versucht die Kinder für deutsche Flussnamen zu begeistern, sondern die Kinder beschäftigen sich mit Mathematik, Sprache, Lesen oder Themen aus ihrem Alltag. Gerne halten sie dazu dann auch Referate, damit die anderen Kinder auch an ihrem neu erlangten Wissen teil haben können. Die Grundsatz lautet übrigens „Hilf mir es selbst zu tun“ und deutet an, dass die Eigenverantwortlichkeit der Kinder, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen der Leitphilosophie ist. Die Grundlagen zur Montessoripädagogik könnt ihr auf Wikipedia nachlesen!

 

Ab ins Kino und „alphabet“ anschauen!

Gestern war ich mit Felix im Kino und wir haben uns „alphabet“ angeschaut, einen Dokumentarfilm des österreichischen Regisseurs Erwin Wagenhofer. „alphabet“ ist der abschließende Teil einer Trilogie, die mit dem Thema Ernährung begann (We feed the world, 2005) und mit einem Film über die Finanzkrise und ihre Ursachen fortgesetzt wurde (Let’s make Money, 2008). Der Kinofilm versucht der Frage auf den Grund zu gehen, was „gute Bildung“ ist und wie wir unsere Kinder am besten zum „Lernen“ einladen können. Am chinesischen Schulsystem wird deutlich, dass der wirtschaftlich motivierte und schon früh auf die Kinder projezierte Konkurrenzkampf Meinungslose, manipulierbare und nicht besonders kreative Lemminge hervorbringt, die aber in den PISA-Studien am besten abschneiden, weil sie am strebsamsten sind. Hobbys haben diese Kinder natürlich keine und Spielen ist ein Fremdwort. Kein Wunder, dass der hohe Druck, die mangelnde Freizeit und die enormen Versagensängste, die höchste Suizid-Rate im weltweiten Vergleich zur Folge haben. Aber fördert unser deutsches Schulsystem das auf dem Humboldtschen Bildungsprinzip beruht, die unterschiedlichen Talente, Persönlichkeiten und Leidenschaften der Kids? Und wie sieht die Schule beziehungsweise das Bildungssystem aus, dass die Begeisterung und Neugierde der Kinder stärkt und sie auf ihre Zukunft vorbereitet? Felix und ich haben das schon heiß diskutiert und ich werde mich nun eingehender mit der Waldorf- und Montessori-Pädagogik befassen, weil ich für meine Kinder nicht möchte, dass sie depressiv werden, weil sich ihr Bildungs- und Schulalltag nur um den wirtschaftlich geprägten Leistungsgedanken dreht. Außerdem will ich öfters mit den Kindern ins Kinderkunsthaus nach München fahren – auch weil`s mir immer großen Spaß macht zu malen. Weitere Informationen zum Film und zu den unterschiedlichen Denkansätzen Rund um die Themen Bildung, Lernen und Schulsystem findet ihr hier! Und auf der Homepage zum Kinofilm gibt es einen Kinofinder.